"Letzte Dinge", Aquarell auf Papier, ca. A4, 2023, Dieter Motzel.
Letzte Dinge
Als Fan von Action-Filmen schätze ich es sehr, wenn in den ersten Minuten des Films schon ein halbes Dutzend Tote rumliegen. Wenn die Schlagzahl nachlässt, erhält der Held in fast allen Filmen die Gelegenheit, irgendeinem Normalo, der aus unterschiedlichen Gründen an seiner Seite ist, in fast schon intimer Weise zu gestehen: „ … ich habe viele Dinge in meinem Leben getan, auf die ich nicht stolz bin …“. Ach, allein dieser tiefgreifende Satz lässt mich mehr erschaudern, als die blutende Wunde über der Augenbraue des Helden. Meist antworte ich sogar vor meinem flimmernden Bildschirm: „Auch ich habe Dinge getan, auf die ich nicht stolz bin, du Held.“. Dann kommt meist Stepanovic um die Ecke und sagt: „Lebbe geht weider“. Der Film auch, und am Ende wird das Gute siegen.
"Wäldchen", 50 x 70 cm, Acrylfarbe auf Zeichenkarton, Dieter Motzel.
Jetzt: jauchzet, frohlocket
"Karl May", Zeichnung Dieter Motzel.
Ach komm, löse ich beim Sören Malte einfach mal ein bisschen Unwohlsein aus.
"E.T.A. Hoffmann", Radierung: Dieter Motzel.
Heute jährt sich der 200. Todestag von E.T.A. Hoffmann.
Wer es 200 Jahre aufgeschoben hat, sollte es jetzt tun: LESEN!!!
Text/Abbildung: Dieter Motzel, 2022.
Kurzes Theaterstück:
Vorhang auf!
Chor: „Alles für alle!“
Gong
„Mao Zedooong“
Lang gezogener Gong
Chor: „Alles für alle ist alle“
Gong
„Mao Zedooong“
Lang gezogener Gong
Vorhang zu!
Zeichnung: Dieter Motzel, 2022.
Radierung: Dieter Motzel.
Zeichnung: Dieter Motzel.
"William Shakespeare"
Am 23. April 1616 (vermutlich) ist William Shakespeare gestorben. Irgendwann nach 1616 habe ich diese Radierung gemacht.
Foto: Dieter Motzel, 2022.
So in etwa war der Januar
Im Comic ist es eine einfache Sache. Der Sprechblasentext wird in ein Kästchen gedrückt und bekommt damit etwas endgültiges. Geisteszustände, man denke sich hier ein großes Fragezeichen, das frei über dem Protagonisten schwebt, brauchen keinen festgefassten Rahmen. Geisteszustände dürfen sich ausbreiten. Gleiches gilt für Geräusche. Sie brauchen den Platz, und so kann ein feines Wrumm schon einmal eine Doppelseite umfassen, ohne an einen Rahmen zu stoßen. In meinem Fall war es ein Plopp, oder vielleicht auch ein kleiner Platsch. Das Geräusch über mir wurde schnell vom kalten Wind verweht. Danach tauchte ein Fragezeichen auf, während die Sprechblase leer blieb. Das Geäst des großen alten Baumes, unter dem ich stand, war nicht ganz so leer, wie die Sprechblase blieb. Hoch über mir ist jemand seinen Bedürfnissen nachgegangen. Der Plopp auf meiner Mütze entpuppte sich, was mir freilich erst viel später gewahr wurde, als fingerdicker grüner Scheißhaufen, der es sich eng umschlungen auf meinem Kopf bequem gemacht hatte. Ich fürchtete, als ich ihn nach stundenlangem Spaziergang entdeckte, dass er noch lebte. Jedenfalls krallte er sich an meiner Mütze fest. Ein guter Grund, der mich bestätigte, niemals ohne Kopfbedeckung gesicherte Räume zu verlassen.
Woanders ist es auch nicht besser. Alle Fotos: Dieter Motzel, 2022.
Weihnachtszettel
Plätzchen gebacken, dabei das Universum verschoben. Sterne explodierten und Weltbilder zerbrachen. Lag wohl am Mürbeteig.
Allen Besuchern dieser Seite, allen Freunden und Bekannten wünsche ich entspannte und geruhsame Weihnachtstage und einen zuversichtlichen, neugierigen Blick auf das bald beginnende neue Jahr.
P.S.: Bei der vielen Wellenreiterei, die uns vermutlich noch erwartet, bitte immer daran denken, dass das Brett unter die Füße gehört und nicht vor den Kopf.
Trocknende Wäsche auf Nachbars Balkon.
Entdeckt und aufgeflogen kam mir in den Sinn, und anschließend noch veralbert. Hatte ich es nicht verdient? Im Zweifel immer, aber hier im Speziellen eher nicht. Hatte ich doch nur über einen längeren Zeitraum das Trocknen der Wäsche auf Nachbars Balkon in farbigen Bildern begleitet. Nun, ich war mir keiner größeren Schuld bewusst und fand daher nur wenig Verständnis dafür, mir frische Wäsche zum Trocknen zu verweigern, wie es nun schon seit Wochen geschah. Einen Spanner-Effekt, der vielleicht unterstellt werden könnte, würde ich doch gerne gegen einen dokumentarischen Moment austauschen, der eher zutreffen würde. Zumal es sich bei der Wäsche ja nicht um intime Unterwäsche handelte, sondern um Handtücher, Betttücher und allerhand andere normale Bekleidung. Bei näherer Betrachtung könnte der Umstand ausbleibender frischer Wäsche durchaus auch dem Wetter in einem sich dem Ende zuneigendem Jahr zugeschrieben werden. Außer einem großen grauen Tuch, das den Balkon, jedenfalls meine Sichtfläche darauf, wie mit ausgebreiteten Armen überspannte, wurde so gut wie nichts mehr dem Balkon zum Trocknen übergeben. Stattdessen, und das erschien mir als durchtriebene Bosheit, wurde auf einem Balkon, der ein wenig abseits meines direkten Blickes lag, all das zum Trocknen aufgehängt, was mein Skizzenbuch und damit mich erfreuen und füllen könnte. Regelmässig wurde nun dort die Wäsche zur Schau gestellt, die ich auf Nachbars Balkon direkt vor Augen seit Wochen so schmerzlich vermisste. Zu allem Überfluss, und dies bestärkte meinen Gedanken, der mich an einen bösen Scherz glauben ließ, drehte sich dort auf dem fernen und fremden Balkon ein Windrädchen in pink, offensichtlich von gleicher Art, wie auf Nachbars Balkon gegenüber! Vielleicht war es auch etwas Größeres, Hexerei oder so. Etwas, das meine Wahrnehmung spiegelte und an einen entfernteren Ort, wie eine Fata Morgana, projizierte. Auffällig drehte sich das pinke Windrädchen auf dem entfernten Balkon auf der linken Seite. Auf dem mir gegenüberliegenden Nachbarbalkon drehte es sich auf der rechten Seite. Das konnte alles kein Zufall sein, und womöglich lag schon ein Voodoo-Püppchen bereit, das nur darauf wartete, eine dicke Nadel eingestochen zu bekommen, dass es mir - nichts ahnend - am Küchentisch die Eingeweide zerreissen würde. Seitdem ich vor einigen Tagen die Zusammenhänge erkannte, jagten Gedankenschauer durch meinen Kopf. Und ich überlegte jeden Tag, an dem frische Wäsche ausblieb, wie ich die Nachbarin besänftigen könnte.
Skizzenbuchseiten, 2021, Dieter Motzel.
Dieter Motzel, Skizzenbuchseite 2021.
Einer freut sich doch immer. Dieter Motzel, Skizzenbuchseite 2021.
Alle Abbildungen: Dieter Motzel, 2021.
"Glas mit Buntstiften", Mischtechnik auf Papier, Dieter Motzel.
Ein frischer Wind treibt den Herbst immer näher heran. Mürbe gewordene Blätter werden durch die Luft getragen. Einsetzender Regen drückt sie auf den Boden. Die erste Rostschicht des Jahres legt sich über das Grün.
Das eigentlich unverfängliche Gespräch mit einer Nachbarin über das Wetter wird zum Gesinnungstest. Auf Eigensicherung bedacht, bestätige ich ihr, dass wir alle sterben müssen.
Trocknende Wäsche auf Nachbars Balkon
Seit Tagen herrschte eine gähnende Leere auf Nachbars Balkon. Frische Winde hatten einem der pinkfarbenen Windrädchen den Garaus gemacht. Nun drehte sich nur noch eines von Beiden. In der Urlaubszeit lief Vieles nur mit halber Kraft, und ich konnte in den nächsten Tagen sicher nicht mit frischer Wäsche rechnen. Deshalb nahm ich mir die Zeit für einen Zwischenbericht. Obwohl ich ein relativ breites Interesse und eine gehörige Portion Neugier mein eigen nenne, war meine Neigung mich mit fremder Wäsche zu beschäftigen bisher sehr gering, wenn überhaupt vorhanden. Zumal ich mit dem Waschen der eigenen Schmutzwäsche genug Beschäftigung hätte. Aber gehirnerweichende Corona-Maßnahmen über einen langen Zeitraum forderten ihren Tribut und so geriet manches in den Blick, das in normalen Zeiten kaum eines Blickes würdig wäre. Zum Beispiel die trocknende Wäsche auf Nachbars Balkon, die ansonsten völlig unspektakulär war, ebenso wie der Balkon, auf dem schon seit vielen Jahren Wäsche zum Trocknen aufgehängt wurde. Wäsche in ihrer alltäglichsten Form. Es war ein Tag im April, an dem sich mein Blick darauf justierte und ein Interesse an der Wäsche von gegenüber entdeckte. Ich saß beim morgendlichen Kaffee, nebenan klapperte die Tastatur eines Rechners, Telefongespräche wurden geführt oder Videokonferenzen vorbereitet. Zum ersten Mal fiel mir auf, dass diese Wäsche einer Farbpalette entsprach, die ich in meinen Bildern sehr schätzte. Auch die zufällige Anordnung der Wäschestücke, die Farbe und Form und ihr Verhältnis zueinander gefiel mir sehr. Ich fand, nach langer schwarz-weißer Tuschezeit, tatsächlich einige sehr vertrocknete Farbkästen und begann einfach damit, die Wäsche im Skizzenbuch festzuhalten. Es lag mir nichts an einer realistischen Darstellung der Wäsche. Es ging mir um dieses abstrakte Momentum der Farben und der Formen, die hinter der realen Wäsche zu finden waren. Seit diesem Tag im April wartete ich nun immer auf diesen Augenblick, an dem mir die Nachbarin ein neues Bild präsentierte.
Anfangs, in strengeren Corona-Zeiten, war mir die Wäsche zu einem Sinnbild geworden. Ein immer währender Rhythmus, der alles bestimmte. Nur wenig veränderte sich im Stillstand der Tage, nur die Sortierung der Wäsche. Irgendwann tauchten zwei magentafarbene Windrädchen im Blumenkasten der Balkonbrüstung auf. Ich fasste dies als Zeichen des Wandels auf. Solange man sich selbst noch zu drehen vermag, wird alles gut.
Text und alle Bilder: Dieter Motzel, 2021.
"Unscheinbares Ding", Farbstiftzeichnung, 1997, Dieter Motzel.
Hornisse war der Name, den ich suchte und der mir partout nicht einfallen wollte. Ich sagte dann einfach Ding zu ihr. Na, Ding, sprach ich sie direkt an, als sie über meinem Mittagessen schwebte. Weiße Bohnen in Tomatensoße sagten ihr wohl zu. Meine Gabel war schneller und zielstrebiger. Erster, rief ich, schließlich stehe ich als Mensch in der Entwicklungsstufe über dir, du Ding.
Das wunderbare am luftleeren Raum ist, dass man keinen Fallschirm braucht.
Foto: Dieter Motzel, 2021.
Zwei Häuser weiter, an der Straßenecke, liegt der verschmorte Rest eines Müllcontainers. Übrig geblieben ist nur der untere Teil, den man an eine Mauer gestellt hat. Zwei Räder, die sich nie wieder drehen werden, strecken sich dem Himmel entgegen. Halbeingeschmolzene Konservendosen sind festgebacken im grauschwarzen Kunststoff und leuchten in einem metallenen Glanz, als wären sie extra für diesen Auftritt poliert worden. Dazwischen ein strahlendes Grün. Nichts außer der Farbe ist von seiner ehemaligen Form geblieben. Die Unkenntlichkeit dieser Form verfestigt den ersten Eindruck, man sähe auf eine Farbpalette. War vielleicht Daniel Spoerri hier? Ein Alterswerk, das statt des gedeckten Esstisches ein Schmorgericht der Überflussgesellschaft als Objekt Trouvé präsentiert.
Doppelseite aus einem Skizzenbuch, Mai 2021. Dieter Motzel.
Im festen Griff der Wissenschaft
Heute hatte der Hund eine Durchfall-Attacke und schiss in Ost-West-Ausrichtung. Ich fand dies bemerkenswert, weil Wissenschaftler entdeckten, wie verschiedene Medien mich wissen ließen, dass sich kackende Hunde vom Erdmagnetfeld beeinflussen lassen und ihren Haufen in Nord-Süd-Ausrichtung setzen. Hatte sich nun das Erdmagnetfeld verändert, oder hatte der Hund einfach nur die Orientierung verloren? Fragen über Fragen.